die
geschichten und die gefühle von drei generationen: in „mittelreich“ verknüpft
und verdichtet josef bierbichler meisterhaft die grossen themen und neurosen
des vergangenen jahrhunderts – hartes bauernleben, antisemitismus,
kriegstrauma, missbrauch. aus diesem grossen familienroman macht die
regisseurin anna-sophie mahler an den münchner kammerspielen ein grosses
musiktheater. die beerdigung des alten seewirts nimmt sie als ausgangspunkt, um
die reichen erzählstränge gleichsam von hinten aufzulösen, mit dem vom jungen
vokalensemble münchen gesungenen brahms-requiem als leitmotiv: selig sind, die
da leid tragen. in einem in die jahre gekommenen wirtshaussaal, der
bierbichlers „fischmeister“ in ambach nachempfunden ist, entwickelt sich ein
stimmiges und mehrstimmiges theater der assoziationen. die figuren überlagern
sich, die jahre überlagern sich, die gedanken überlagern sich. stefan merki,
steven scharf und thomas hauser teilen sich die beiden rollen des seewirts und
seines sohnes semi fliessend, erzählend, spielend, auch singend. und annette
paulmann ist sowohl die kammersängerin, die den talentierten jungen vom land
der kunst zuführen will, als auch die wirtin und mutter, die die führung
übernimmt, als ein sturm das dach und des gatten innere ruhe wegfegt. in
einfachsten konstellationen – mal sitzen alle um den einzigen tisch, mal steht
einer in der tiefe des raumes am fenster – findet bierbichlers pralle sprache
genauso platz wie die tiefe melancholie dieser grossen bayern-saga. und immer
wieder brahms: selig sind, die da leid tragen. nach den tränen die freude?
wirklich?
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