Dienstag, 19. Juli 2011

MÜNCHEN: DER KLEIST-WORKSHOP

die bühne wird nach drei seiten hin durch riesige plastikvorhänge abgegrenzt, einige stühle stehen rum, ein grosser schwarzer tisch, ein paar lautsprecherboxen, mikrophonständer, eine hammond-orgel – nicht eben die klassische kulisse für heinrich von kleist. hier zeigt regisseurin hanna rudolph ihre annäherung an „michael kohlhaas“. sie macht aus der kleistschen novelle über den pferdehändler, dem unrecht widerfährt und der an der behörden-willkür zugrunde geht, nicht einfach ein drama, sondern ein zwischending, eine – sehr bewegte – szenische lesung: die darsteller kippen unvermittelt vom erzählen ins spielen, vom spielen ins erzählen, und weil dabei auch noch jeder für mehrere figuren steht, wird dem zuschauer einiges an konzentration abverlangt. doch der abend kommt in fahrt und der zuschauer auch, zunehmend erliegt er der faszination dieser übungsanlage. ein junges ensemble – und mit friedrich mücke ein sprachmächtiger und differenzierter kohlhaas im zentrum - experimentiert mit dieser 200 jahre alten sprache, belässt sie im original, aber rhythmisiert sie neu und dynamisiert sie mit rasanten einsätzen, wodurch die eskalation dieser haarsträubenden geschichte an absurdität noch gewinnt. alles in allem also eine art workshop – über die heutigkeit gestriger sprache, über die fliessenden grenzen von idealismus und querulantentum, von gerechtigkeitssinn und selbstjustiz. eine volle ladung. dieser abend im münchner volkstheater ist nicht der ultimative beitrag zum kleist-jahr, doch ein ausgesprochen erfrischender.

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