Donnerstag, 2. August 2018

GREINA: NATUR UND NICHTS, RAUSCHEN UND RAUNEN

keine strassen, keine autos, keine pop-up-bar, keine landschaftskunst, keine kneipen, keine biker, keine luftseilbahnen, keine häuser, kein openairkino, kein zirkus, keine feuerstelle der "schweizer familie". einfach nur natur. einfach nur ein grossartiges nichts. karge bergwiesen, mäandernde bäche, so weit das auge reicht. wandern in der weiten greina-hochebene, die von der surselva und vom bleniotal nur zu fuss über pässe oder durch enge schluchten erreichbar ist, bedeutet: das gefühl für distanz und zeit geht verloren, die festplatte leert sich, die gedanken werden auf 2200 metern über meer luftiger und leichter, man schaltet ab und schaltet anders wieder ein. „wenn eine unschuldige seele das, was man von hier aus sieht, mit unparteiischem gemüte betrachtet und überlegt und vorzüglich die zahme weide mit der wildheit der gebirge vergleicht, so wird er ungern diese stelle verlassen“, notierte – nein, nicht goethe auf seiner reise nach italien – der benediktinerpater placidus a spescha 1820. und leo tuor, schafhirt und poet, schrieb klartext, als elektrizitätskonzerne die greina in der zweiten hälfte des vergangenen jahrhunderts in einem stausee ersäufen wollten: „stört meine tiere nicht, die ihre pfade ziehen und euch nichts zuleide getan haben. lasst der erde ihren frieden und dem tal sein rauschen und raunen. verschwindet, woher ihr gekommen seid!“ der widerstand wurde breiter und breiter und er fruchtete. keine staumauer, keine strommasten, keine panzer. geht doch. geht sogar mitten in der kleinen schweiz. alles weglassen, wirklich alles weglassen, das ist hohe kunst. die greina bleibt deshalb, in einem, kulisse und einladung und anleitung zur meditation.

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