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dicht beschriebene seiten über trump – und trump kein einziges mal erwähnen:
das ist elfriede jelineks neustes kabinettstück „am königsweg“. jelinek rockt
sich durch das gesamte trump-universum, mit ihrem einmal mehr virtuosen mix aus
sprachspielereien und redundanz („anhänger, anhängsel, abgehängte“), mit wut
und witz. nicht trump als person interessiert sie, sondern die blindheit der
mächtigen, die blindheit der ohnmächtigen, die blindheit der seher, auch heidegger und freud werden
herbeizitiert und die orestie: was läuft da schief? und warum läuft es so
saumässig schief? regisseur stefan pucher gelingt am schauspielhaus zürich ein
hochkonzentrierter blick auf dieses sprachfeuerwerk: ein furioses
frauenquintett (eigentlich wären’s sechs, doch eine fiel bei unserer aufführung
verletzungsbedingt aus), auf weiten strecken im jelinek-outfit, arbeitet sich
lustvoll ab an diesem textmonster, an dieser permanenten suche nach
sündenböcken und der erlösung durch sündenböcke, an dieser gigantischen,
verhängnisvollen reality soap. auch die muppets schauen vorbei und
goldbehangene trump-frauenträume, abraham aus dem alten testament mit schlecht
klebendem bart und, ziemlich bedrohlich, der ku-klux-klan. dazu hat chris
kondek eine videoorgie komponiert mit schiessereien, verfolgungsjagden, white
trash und umweltkatastrophen – bilder eines zutiefst verwundeten landes. für
zusätzlichen drive am königsweg in den abgrund sorgen zwei tolle
live-musikerinnen mit intermezzi auf der bühne. „alles ist wahr, alles ist
falsch, wozu brauchen wir noch seherinnen?“ schön kokett reflektiert jelinek
immer wieder auch ihre eigene rolle und das mangelnde echo darauf; trump hat ja
schliesslich nicht den ganzen narzissmus für sich gepachtet. man hat viel spass
an diesem abend. es ist ein sehr, sehr schwarzer spass.
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