Dienstag, 10. April 2018

MÜNCHEN: WARTESAAL

die „wartesaal“-trilogie von lion feuchtwanger ist ein ebenso gigantisches wie differenziertes panorama von bayern, deutschland, europa vor dem ausbruch des zweiten weltkriegs. drei romane, „erfolg“, „die geschwister oppermann“, „exil“, hunderte von haupt- und nebenfiguren, zweieinhalbtausend seiten. stefan pucher wollte nun (grösser, weiter, pucher) an den münchner kammerspielen die ganze trilogie in einem aufwisch stemmen – und intendant matthias lilienthal scheint dieses ansinnen auch noch unterstützt zu haben. warum nicht gleich „die bibel“ an einem einzigen abend? nun, man kam dann doch davon ab und die inszenierung unter dem titel „wartesaal“ beschränkt sich jetzt auf „exil“, das komplizierte leben und zusammenleben deutscher juden und deutscher intellektueller um 1935 in paris. in buchform sind das immer noch 850 seiten; pucher muss also zusammenfassen, zitieren lassen, spotartig herausgreifen. annette paulmann hält das als empathische moderatorin einigermassen zusammen. und samouil stoyanov zeichnet den musiker sepp trautwein, der das komponieren aufgibt, um sich journalistisch am widerstand gegen die nazis zu beteiligen, als eigenwilligen charakter, engagiert, wütend, auch rücksichtslos, immer überzeugt von der sache, für die er an vorderster front kämpft: eine figur, die sich entwickelt, eine figur, der man gerne zuschaut. der einzige wirklich berührende moment in diesen dreieinhalb stunden: wenn sich trautweins frau anna (maja beckmann) bar jeder perspektiven in der badewanne umbringt und ehemann und sohn sie finden und ganz ruhig und reflektiert ihre gewissensbisse und schuldgefühle formulieren und austauschen. das sind menschen. alle anderen: stichwortgeber, chargen, statisten, nummern einer revue. dem ganzen fehlt der lange atem. es gibt romane, die sind auch für eine grosse bühne zu gross.

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