Sonntag, 1. April 2018

MÜNCHEN: ELI, ELI, LAMA ASABTHANI?

„die zeit“ widmet ihm das gesamte dossier ihrer osterausgabe („bach? meer sollte er heissen“). ob man in einer deutschen wochenzeitung 2018 oder in gerhart von westermans grossem „konzertführer“ von 1963 liest, man wird überhäuft mit seltsam schwärmerischen, geradezu religiös verklärten tönen: die matthäus-passion? das grösste! – rückblende, um ungefähr 50 jahre: mit den eltern in der kirche st. anton, luzern, karfreitag um 15 uhr, die passion, jeden (!) karfreitag zweieinhalb stunden bach, für ein kind eine ziemliche herausforderung. nicht die musik hat sich mir damals eingeprägt, sondern wie theatralisch pfarrer paul deschler (tenor) und der junge musikstudent und spätere opernsänger alfred muff (bass) diese musik vortrugen – und dann diese donnerchöre und diese dramatischen wortfetzen: „eröffne den feurigen abgrund, o hölle“, „gotteslästerung“, „…und erhängte sich selbst“, „eli, eli, lama asabthani? (mein gott, mein gott, warum hast du mich verlassen?)“. die passion am karfreitag war mein regelmässiges live-schauermärchen, bilder der erregung und des untergangs. dann machte ich, über die gründe meditiere ich nach wie vor, einen bogen um bach. und jetzt, die matthäus-passion in der philharmonie im gasteig in münchen: enoch zu guttenberg dirigiert sein orchester und seinen chor und sechs hervorragende solisten (darunter, für die tenor-arien, der luzerner mauro peter). zum ersten mal bin ich ergriffen vom ganzen reichtum dieses riesenwerks, zum ersten mal höre ich neben den dramatischen auch die lyrischen sequenzen ganz bewusst, zum ersten mal erschliessen sich mir so neben dem schmerz und der verzweiflung auch versöhnung und trost dieser passion. eine karfreitags-erweckung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen