wien,
blutgasse. in einem loch von männerwohnheim schreibt der mausarme jüdische
buchhändler schlomo herzl an seinen memoiren. „mein kampf“ sollen sie heissen.
das buch wird nie fertig, doch der titel gefällt seinem mitbewohner, dem jungen
adolf hitler. na dann. am münchner volkstheater inszeniert intendant christian
stückl george taboris rattenscharfe farce „mein kampf“ als geschichte einer von
verzweiflung geprägten männerbeziehung, saukomisch und beklemmend. schlomo
(pascal fligg, mit schläfenlocken und überschäumender nächstenliebe) versucht den jungen mann aus
braunau am inn (jakob immervoll, mit lederhose und überschäumender rhetorik) darüber hinwegzutrösten,
dass ihm die kunstakademie die aufnahme verweigert. geradezu zart zelebriert
die inszenierung die momente, wo schlomo unwissentlich die weichen stellt für
hitlers späteres leben – nach einem hypochondrischen fieberwahn etwa: „du bist
so ein schlechter schauspieler, du solltest politiker werden.“ auch scheitel
und schnauz verpasst schlomo seinem zimmerkameraden, damit´s was hermacht, und
sogar seinen wintermantel leiht er ihm aus. denn der sehr dominante ofen
(genau!) in der mitte der mansarde wärmt nur ungenügend. hitler wittert hinter
der ganzen zuwendung eine verschwörung der jüdischen weltgemeinschaft. der rest
ist bekannt. eine biografisch inspirierte farce über hitler – darf man das?
soll man das? tabori ist jude, das ist seine legitimation. und die jüdische
tradition pflegt diese spezielle form von humor als „heiter hingenommene trauer“,
als ein „intellektueller protest gegenüber den äusseren umständen“. der
jüdische witz kann die resignation nicht keimfrei vertreiben, das weiss auch
tabori, wenn er seinen schlomo gegen ende ganz nüchtern sagen lässt: „ich hatte
nicht beachtet, dass es menschen gibt, die liebe nicht ertragen.“
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