Freitag, 5. Januar 2018

ZÜRICH: DER ZERBROCHNE KRUG

adam hat heinrich von kleist seinen huisumer dorfrichter genannt, der des nachts ein verlobtes mädchen in dessen kammer belästigt, dabei einen wertvollen krug wertlos macht und deshalb des darauffolgenden tags vor gericht in eigener sache verhandeln muss. adam, der sündige mensch. diese geradezu unkleistsche holzhammer-symbolik hätten wir auch verstanden, wenn barbara frey in ihrer inszenierung am schauspielhaus zürich den kerl zu beginn nicht im adamskostüm herumhüpfen liesse. ob ohne kleider oder mit, markus scheumann ist als sich immer mehr in seinen lügengeschichten verheddernder richter fabelhaft. seine widerlichen und seine sympathischen züge vereint er subtil zu einer art landtheater für fortgeschrittene. dass auch kleine nebenrollen mit spitzeleuten besetzt sind (beispielsweise das marthaler-urvieh graham valentine als zeugin brigitte, die nächtens nicht den richter, sondern den leibhaftigen höchstpersönlich gesehen haben will) mehrt den spass noch erheblich. da sitzt alles: verstohlene blicke, feinste gesten, spannungsgeladene pausen machen diesen elegant-altertümlichen text zu einem zeitlosen vergnügen – und einem durchaus hintersinnigen. wie sagt der kleist-biograf günter blamberger im programmheft so schön: „am ende des stücks ist jedes vertrauen in die obrigkeit erschüttert.“ entsprechend verzichtet barbara frey auf das happy-end, kein trost, nirgends. als szenerie hat ihr muriel gerstner eine art peepshow-karussell gebaut, das mit seinen düsteren holzwänden und weiten schattenwürfen an den flämischen kupferstich von 1782 erinnert („der richter oder der zerbrochne krug“), der kleist und seine kollegen zum dichterwettstreit animierte und bei dem der schwermütige kleist vor allem beweisen wollte, dass es ihm an talent zur komik keineswegs mangle. was er hinlegte, wurde dann immerhin die meistgespielte deutsche komödie.

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