Montag, 11. Dezember 2017

KASTANIENBAUM: AUSGESTEMPELT

als er pensioniert und seine post in 6047 kastanienbaum geschlossen wurde, machte sich posthalter ruedi zurflüh mit einer schachtel voller trouvaillen auf den weg ins museum für kommunikation (ehemals postmuseum) in bern, mit dem vorschlag, einen teil dieser aussergewöhnlichen dokumente, briefe und postkarten dort auszustellen. bescheid negativ, es gebe zu viel sammelgut von zu vielen ex-posthaltern. nun allerdings haben ruedi zurflüh und sein vater und sein grossvater, die die postkunden in kastanienbaum zusammen während 98 jahren betreuten, ein viel attraktiveres denkmal erhalten: „ausgestempelt“, der sensible und kurzweilige dokumentarfilm von kurt koller und franz szekeres. nein, es ist kein jammerfilm über nicht nachvollziehbare poststellenschliessungen und den abbau des service public. dass sich die zeiten immer wieder und immer schneller ändern, schwingt zwar durchaus mit, doch im zentrum steht ein liebevoller, anekdotenreicher rückblick auf drei posthalter-generationen und ihre teils illustre kundschaft: der belgische könig leopold III. (der hier kurz vor dem tödlichen unfall mit seiner gemahlin astrid bereits einen töffunfall baute), der schillernde luzerner bankier ernst brunner, geheimdienstoffiziere, judenhasser und reihenweise musiker von rafael kubelik über claudio abbado zu dj bobo. der grosse toscanini kam jeweils zu zurflühs, um mit seiner schwester (offizielle version für seine frau), respektive seiner geliebten in italien (inoffizielle version) zu kabeln. ja, die post unmittelbar neben dem hotel war die seele von kastanienbaum, andere treffpunkte gab und gibt es kaum. dieser film ist eine liebeserklärung auch an dieses spezielle dorf. wie sagt doch die off-sprecherin im film lakonisch: „ein ort, an dem zu wohnen man es sich leisten können möchte.“

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