der
französische tenor sébastien guèze tritt so smart auf wie der leibhaftige
österreichische steilstarter sebastian kurz, verfügt über eine helle, lyrische
stimme – und: er wusste am mittwoch noch nicht, dass er am sonntag in der première von „hoffmanns erzählungen“ am theater freiburg im breisgau die hauptrolle singt, als ersatz
für den erkrankten rolf romei. einspringen ist daily business im
theaterbetrieb, doch mit nur zwei tagen proben in eine derart komplexe
inszenierung einzusteigen, und dies mit zunehmend betörender brillanz, das ist
schon eine meisterleistung. denn das französische regiekollektiv
clarac-deloeuil > le lab liefert keine handelsübliche lesart von offenbachs
oper. die bühne ist ein weiss gekachelter raum, labor und studio in einem, in
dem eine blonde moderatorin auf acht bildschirmen als erstes bekannt gibt, dass
der literaturpreis 2017, in anerkennung seiner herausragenden impulse für die
zeitgenössische literatur, an e. t. a. hoffmann geht. die zweifel und
selbstzweifel des toten dichters, sein scheitern in liebe und kunst, nehmen die
regisseure zum anlass, ganz generell über dichtung und ihre wirkung
nachzudenken. „wozu dichter in dürftiger zeit?“ fragen sie mit hölderlin. eine
schauspielerin und ein schauspieler, die hoffmanns muse assistieren, zitieren in dutzenden von intermezzi
dutzende von dichtern und denkern, die ihre rolle und ihre grenzen
reflektieren. diese intellektuellen exkurse funktionieren erstaunlich gut,
zumal fabrice bollon offenbachs romantischen rausch bisweilen überraschend
unromantisch dirigiert. auch dies unterstreicht: dichter leben gefährlich.
dieser freiburger hoffmann wird am schluss erschossen, auftragsmord eines
politikers, doch er lebt weiter durch seine kunst. ja, gerade in dürftigen zeiten
tun dichter not: „es ist uns aufgegeben, wahrheiten auszusprechen.“ viel applaus
für einen eindrücklichen, klugen opernabend.
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