wer ist dieser mann? wer ist dieser
bruder klaus? auf einer prächtigen grünen anhöhe, sinnigerweise schön in der
mitte zwischen dem ruhigen ranft und dem unruhigen talboden von sarnen, wird in
einem eigens erstellten grossen holzgaden 41 mal darüber nachgedacht. 41 mal
spielen und singen laien „vo innä uisä“, das offizielle gedenkspiel zum
600-jahr-jubiläum des heiligen. autor paul steinmann und regisseur geri dillier
fügen fragmente aus der biografie, der rezeptionsgeschichte und der mystisch-mysteriösen
pilgervision zu einem neuen bild von niklaus von flüe. einem neuen bild? er
selber tritt nicht auf. ein chor charakterisiert ihn mit eindrücklichen und
eindringlichen liedern von jul dillier, dorfszenen beschwören die
vergangenheit, lichtwürfe von judith albert sorgen für adäquate und meditative
atmosphäre. kein neues bild also, aber eine neue, stimmige annäherung an den fernen
eremiten. wird er überbewertet? wird er unterschätzt? bruder klaus polarisiert
seit jahrhunderten. dieser pendler zwischen innenwelt und aussenwelt, zwischen
familie und gott, zwischen politischem engagement und totalem rückzug, zwischen
illusion und depression – er schien widersprüche auszuhalten oder sie gar als
ansporn zu verstehen; eine ambiguitätstoleranz, die viele, die ihn heute aus
distanz beurteilen, offensichtlich nicht nachvollziehen können oder gar teilen.
für die einen ist er eine lichtgestalt, für andere ein ärgernis. das wird sich
nach diesem spiel nicht ändern. wer ist dieser mann? was sagt er mir heute? die wahrheit über bruder
klaus findet jeder nur bei sich.
Montag, 28. August 2017
Freitag, 18. August 2017
MÜNCHEN: THOMAS STRUTH, FIGURE GROUND
in den
neunziger jahren erhielt der deutsche fotograf thomas struth (*1954) vom
damaligen direktor des kunstmuseums winterthur die einladung, 37 neue zimmer am
dortigen spital mit bildern auszustatten. struth streifte durch die ländliche gegend
um winterthur, fotografierte wege auf hügeln, wege am waldrand, wege durch
wiesen, nicht an grellen sommertagen, sondern wohl eher an milden
frühlingsmorgen, an morgen voller melancholisch-weicher poesie. die
grossformatigen bilder, die gegenüber dem krankenbett installiert wurden,
zeigen die heimat der patientinnen und patienten und vor allem strahlen sie eine grosse ruhe, ja
eine absolute stille aus. übers kopfende des bettes hängte struth jeweils die
nahaufnahme einer pflanze, zart, verletzlich, eine metapher für die situation
des patienten. diese serie mit dem titel „löwenzahnzimmer“ füllt im münchner
haus der kunst jetzt den zwölften und letzten raum der umfassenden struth-schau
„figure ground“. sie zeigt beispielhaft, wie sich dieser künstler als sozialer
künstler versteht, der sich zunächst ausgiebig in eine situation einfühlt, und
sie zeigt, wie er in ganzen werkgruppen denkt und arbeitet. weitere beispiele
in der ausstellung sind familienporträts rund um den globus, high-tech in internationalen
forschungslaboren, menschen in museen, unbewusste strassen in unbewussten orten.
anders als andere mitglieder der berühmten düsseldorfer fotoschule bearbeitet thomas
struth sein material nicht digital, die wirkung geht so ganz vom moment der
aufnahme aus, vom unmittelbaren. bewegung in die oft ausgesprochen statischen
bilder bringt die betrachterin und der betrachter. der fotograf macht sie zu
komplizen.
Donnerstag, 17. August 2017
LIUZHEN: BRÜDER
besuchen sie china, bevor china sie besucht! das war einmal, dafür ist es jetzt zu spät. chinesinnen und chinesen stehen bereits am morgen vor unserem küchenfenster. sie kommen immer zahlreicher. sie bevölkern unsere städte. sie kaufen unsere uhren. und ihre eliten kaufen unsere firmen und unsere fussballclubs. es gibt keinen zwang, die menschen aus china zu mögen. angesichts ihrer zunehmenden globalen aktivitäten schadet es aber bestimmt nicht, sie besser zu verstehen. der roman "brüder" von yu hua (fischer taschenbuch verlag) ist geschichtsbuch und schelmenroman in einem, und vor allem ist er ein ausgezeichneter guide zur chinesischen mentalität. auf fast 800 seiten entwirft der autor ein gigantisches china-panorama von der kulturrevolution in den sechzigern bis zum millennium, zusammengehalten durch die geschichte zweier brüder in der kleinen stadt liuzhen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. der eine ein aufschneider und hallodri, der andere schüchtern bis zum abwinken. nichts bleibt den beiden und uns erspart: "brüder", das ist derb und drastisch, brutal und berührend. "brüder", das ist china von unten. atmosphärisch dicht, sprudelnd und aufschlussreich von der ersten bis zur letzten seite. man klappt das buch bereichert zu und denkt sich: ja, es gibt keinen zwang, die menschen aus china zu mögen, allerdings auch kein verbot.
Sonntag, 13. August 2017
WASHINGTON: THE LAST HOPE
"nach 200 tagen trump´schem chaos weiss man schlicht nicht mehr, inwieweit der präsident die realität überhaupt noch zur kenntnis nimmt." schreibt hubert wetzel im leitartikel der "süddeutschen zeitung". und schliesslich: "bei richard nixon endete die sache übrigens so: schon einige stunden bevor er zurücktrat, wurden ihm vorsichtshalber die abschusscodes für die us-atomwaffen weggenommen. seine minister hielten den präsidenten für zu verrückt."
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