Dienstag, 6. Juni 2017

ZÜRICH: JAKOB VON GUNTEN

bückling, tür auf, bückling, tür zu. bückling, tür auf, bückling, tür zu. die jungs im institut benjamenta werden gedrillt, in einem langen, immer enger werdenden korridor, das fenster am ende lässt kaum licht durch, wenig luft zum atmen. bückling, tür auf, bückling, tür zu. barbara frey lässt ihre inszenierung von robert walsers tagebuchroman „jakob von gunten“ in der box des schiffbaus mit einer mehrere minuten dauernden, stummen choreografie der unterwürfigkeit beginnen. michael maertens, stefan kurt und hans kremer sind als zöglinge eine wucht, übermotivierte ministranten, die sich über ihre motivation den kopf noch nicht zerbrochen haben. gebetsmühlenartig rezitieren sie später mit enervierender redundanz ihre benimm-bibel: „das gute betragen ist ein blühender garten.“ hier blüht gar nichts. hier verdorrt noch die letzte vitale regung. diese jungs werden nicht gefördert, sondern leer gesaugt. hier wird jakob, wie er selber sagt, „eine reizende kugelrunde null“. barbara frey sieht im walser-roman einen „gegenentwurf zum heutigen lebensoptimierungs- und effizienzwahn“, ebenso heiter wie beunruhigend. zwischen diesen polen pendelt auch ihre von melancholischen klaviersuiten und songs untermalte inszenierung. man lacht und ist bedrückt und lacht immer weniger. fräulein benjamenta (ebenfalls stefan kurt) ist in ein armloses schlangenkleid gezwängt, das nur ihrem zuchtstock noch freien lauf lässt. er fällt bei ihrem tod wie ein verfaulter körperteil von ihr ab. derweil herr benjamenta, der vorsteher (ebenfalls hans kremer, als ballonartig aufgeblasener gottvater), mit jakob in die wüste aufbricht. offen bleibt, ob er dort die freiheit sucht oder nur bücklinge üben will. man kann gut verstehen, dass franz kafka diesen roman walsers geliebt und viel daraus vorgelesen hat.

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