agamemnon
liegt vorne auf der leeren bühne. tot. dahingemordet von seiner gattin
klytaimnestra. dazu aus der bühnentiefe scharfes schlagwerk und brutale
bläserfetzen. und elektra, die tochter der beiden, schreit herzzerreissend:
„nie endendes unheil!“ in der atriden-dynastie zieht ein mord den anderen nach
sich. als der griechische komponist iannis xenakis die „orestie“ von aischylos
1965/66 zu vertonen begann, interessierte ihn vor allem eines: wie mögen
sprache, chöre, musik damals geklungen haben? was war der sound der antiken
theater? seine melodien sind schräg, unvollständig, teilweise hässlich – und immer
ausgesprochen rhythmisch: klagelieder von grosser suggestiver kraft. wenn der
chor des basler theaters die altgriechischen verse, unterstützt durch
fabelhafte perkussionisten der basel sinfonietta, frontal ins publikum singt
oder spricht, ergibt sich eine berührende, oft auch beängstigende tonspur zum
fluch, der auf dieser gesellschaft lastet. hier gelingen regisseur calixto
bieito die stärksten momente, macht und ohnmacht der massen, wogegen er mit den
solistinnen und solisten weniger anzufangen weiss; da bleibt es bei assoziativen
bildern und ziemlich konventionellen arrangements, die die schicksalshaften
verstrickungen innerhalb der atriden-sippe vor allem immer recht körperlich
illustrieren, ich lieb‘ dich, ich fick‘ dich, ich würg‘ dich. dazu in riesiger
schwarz-weiss-projektion über allem permanent ein verspieltes, schwarzgelocktes
mädchen: die tochter iphigenie, die agamemnon für sein kriegsglück zu opfern
bereit ist, als mädchen von heute. „manchmal fühlt es sich so an, als würden
wir in einer welt leben, in der eine solche tragödie jederzeit wirklichkeit
werden könnte“, schreibt dirigent franck ollu im programmheft. reanimierte
mythologie, fährt ein.
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