Donnerstag, 4. Mai 2017

BASEL: ORESTEIA

agamemnon liegt vorne auf der leeren bühne. tot. dahingemordet von seiner gattin klytaimnestra. dazu aus der bühnentiefe scharfes schlagwerk und brutale bläserfetzen. und elektra, die tochter der beiden, schreit herzzerreissend: „nie endendes unheil!“ in der atriden-dynastie zieht ein mord den anderen nach sich. als der griechische komponist iannis xenakis die „orestie“ von aischylos 1965/66 zu vertonen begann, interessierte ihn vor allem eines: wie mögen sprache, chöre, musik damals geklungen haben? was war der sound der antiken theater? seine melodien sind schräg, unvollständig, teilweise hässlich – und immer ausgesprochen rhythmisch: klagelieder von grosser suggestiver kraft. wenn der chor des basler theaters die altgriechischen verse, unterstützt durch fabelhafte perkussionisten der basel sinfonietta, frontal ins publikum singt oder spricht, ergibt sich eine berührende, oft auch beängstigende tonspur zum fluch, der auf dieser gesellschaft lastet. hier gelingen regisseur calixto bieito die stärksten momente, macht und ohnmacht der massen, wogegen er mit den solistinnen und solisten weniger anzufangen weiss; da bleibt es bei assoziativen bildern und ziemlich konventionellen arrangements, die die schicksalshaften verstrickungen innerhalb der atriden-sippe vor allem immer recht körperlich illustrieren, ich lieb‘ dich, ich fick‘ dich, ich würg‘ dich. dazu in riesiger schwarz-weiss-projektion über allem permanent ein verspieltes, schwarzgelocktes mädchen: die tochter iphigenie, die agamemnon für sein kriegsglück zu opfern bereit ist, als mädchen von heute. „manchmal fühlt es sich so an, als würden wir in einer welt leben, in der eine solche tragödie jederzeit wirklichkeit werden könnte“, schreibt dirigent franck ollu im programmheft. reanimierte mythologie, fährt ein.

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