Donnerstag, 6. April 2017

BASEL: WILHELM TELL ALS REVOLUTIONS-RAP

singoh nketia alias dj fink hat seine laptops diskret im halbdunkel am rechten bühnenrand aufgebaut, doch er spielt in diesem „wilhelm tell“ am theater basel eine ganz zentrale rolle. mal gibt er den takt für schillers fünfhebige jamben fein wie ein metronom vor, mal sind es heftigere beats, die den schauspielern als rhythmische basis dienen: die 200 jahre alten blankverse geraten durch diesen strukturierten sound zu einer art poetry-slam – und die gefühlt 500 gymeler im publikum scheinen nachhaltig beeindruckt, wie heutig so ein klassiker klingen kann. ein tolles verdienst dieser aufführung. nicht nur akustisch, auch visuell haben regisseur stefan bachmann und bühnenbildner olaf altmann diesen abend stark strukturiert: ein waagrechter und ein senkrechter schacht bilden ein bühnenhohes kreuz. in diesen schmalen schächten winden sich die geknechteten urschweizer, können nicht aufrecht stehen, selbst den rütlischwur müssen sie in diesen beengten verhältnissen kniend leisten, was der eidgenössischen initiation allerdings auch eine neue, ganz und gar pathosfreie intimität verleiht. es ist ein ausgesprochen körperliches theater, das diesen alpinen kampf um freiheit, diese radikalisierung hin zur revolution eindrücklich illustriert. dass sich bruno cathomas als wilhelm tell aufführt wie gérard depardieu als obelix, stört zu beginn nicht wirklich. doch im letzten drittel verliert der abend auch sonst deutlich an dichte, zerfranst richtung pop (berta von bruneck als conchita-wurst-verschnitt), richtung variété (attinghausens tod als peterchens mondfahrt), richtung beliebigkeit (nicht nachvollziehbarer rollentausch zwischen tell und gessler). diese show-elemente ersticken das fein getaktete kammerspiel; nicht nur gessler liegt jetzt auf der verliererseite, auch der dj.

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