singoh
nketia alias dj fink hat seine laptops diskret im halbdunkel am rechten
bühnenrand aufgebaut, doch er spielt in diesem „wilhelm tell“ am theater basel
eine ganz zentrale rolle. mal gibt er den takt für schillers fünfhebige jamben fein wie ein metronom vor, mal sind es heftigere beats, die
den schauspielern als rhythmische basis dienen: die 200 jahre alten blankverse
geraten durch diesen strukturierten sound zu einer art poetry-slam – und die gefühlt
500 gymeler im publikum scheinen
nachhaltig beeindruckt, wie heutig so ein klassiker klingen kann. ein tolles verdienst dieser aufführung. nicht nur akustisch, auch
visuell haben regisseur stefan bachmann und bühnenbildner olaf altmann diesen
abend stark strukturiert: ein waagrechter und ein senkrechter schacht bilden
ein bühnenhohes kreuz. in diesen schmalen schächten winden sich die
geknechteten urschweizer, können nicht aufrecht stehen, selbst den rütlischwur
müssen sie in diesen beengten verhältnissen kniend leisten, was der
eidgenössischen initiation allerdings auch eine neue, ganz und gar pathosfreie
intimität verleiht. es ist ein ausgesprochen körperliches theater, das diesen
alpinen kampf um freiheit, diese radikalisierung hin zur revolution
eindrücklich illustriert. dass sich bruno cathomas als wilhelm tell aufführt
wie gérard depardieu als obelix, stört zu beginn nicht wirklich. doch im
letzten drittel verliert der abend auch sonst deutlich an dichte, zerfranst
richtung pop (berta von bruneck als conchita-wurst-verschnitt), richtung
variété (attinghausens tod als peterchens mondfahrt), richtung beliebigkeit
(nicht nachvollziehbarer rollentausch zwischen tell und gessler). diese
show-elemente ersticken das fein getaktete kammerspiel; nicht nur gessler liegt
jetzt auf der verliererseite, auch der dj.
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