Donnerstag, 16. März 2017

BEIJING: SILBERSALZ GEGEN WOLKENFÄUSTE

„erst wochen später, und nur als ein von vielen widersprüchen durchzogenes gerücht, sollte in der purpurstadt und am ende selbst in den gassen von beijing geflüstert werden, dass es die astrologen gewesen waren, die astrologen!, die eine drohende widerlegung ihrer günstigen wetterprognose abwehren wollten, indem sie feuerwerksraketen mit silbersalz befüllt und damit eine tagelang vor den höhenzügen des shan-gebirges gestaute wolkenwand beschossen hatten. das hoch über den gipfeln am himmel ausgesäte silbersalz sollte die wolkenfäuste öffnen und regen, hagel, schnee oder was immer sie enthielten, weit vor der stadt und vor allem: weit vor den augen des erhabenen, herabrauschen, hageln oder schneien lassen. aber wie von den krachenden, im tageslicht blass wie wasserzeichen an den himmel gekritzelten feuerwerksgarben angezogen, hatte sich zu den von felswänden und aus den schluchten des shan-gebirges schlagenden echos der explosionen ein böiger wind erhoben, der die schneeschauer noch hoch über dem erdboden verdichtete und davontrug, bis in die himmelsareale über der verbotenen stadt – und seine kristalline fracht erst dort endlich los und fallen liess.“ (christoph ransmayr, "cox oder der lauf der zeit", s. fischer, s.56) – wieder mal so ein exzellentes stück literatur, vor dessen sprachmacht und -reichtum man in ehrfurcht erstarrt und nur eines zu denken vermag: ich schreibe nie wieder einen satz.

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