Freitag, 17. Februar 2017

LUZERN: KNOCHENLIEDER

der roman „knochenlieder“ von martina clavadetscher ist alles andere als eine well made novel, keine stromlinienförmige sofaunterhaltung. als die junge schwyzer autorin anlässlich der buchvernissage im luzerner kleintheater jetzt daraus las, begriff man schnell, dass sie damit ein sperriges stück literatur vorlegt. vorlegen will. es beginnt harmlos in einer siedlung, die menschen leben idyllisch und abgeschottet, aber irgendwann setzen fluchtwünsche ein, nur fort von hier, schnell fort aus dieser gegend, fort aus dieser zeit, die autorin rast mit den protagonistinnen in die zukunft. doch die ersehnte freiheit bringt neue zwänge, neue grenzen, neue unruhe, neue panik – in überwachten städten, camps, datennetzen und mit furchterregenden tieren. eine düstere fiktion. kafka lässt grüssen. dieser roman ist nicht einfach ein roman, er spielt auch immer wieder mit lyrischen und szenischen elementen, mit der sprache der naturwissenschaft, der alten märchen und mit it-programmiercodes, mal im flattersatz, mal mit gewagten zeilensprüngen: alles in allem ein überraschendes, abgründiges, eigenwillig eskalierendes sprachwunderwerk. was die musikerin isa wiss bei der vernissage mit stimme, cello und einer tischorgel an schrägen, märchenhaften und verstörenden tönen beisteuerte, unterstrich diesen clavadetscher-sound zwischen trance und traum aufs prächtigste. man freut sich, tiefer in diesen kosmos einzutauchen. so ging es auch der jury der dienemann-stiftung, die der autorin bereits aufgrund von plot und einzelnen textproben den mit 20‘000 franken dotierten „preis für das zweite buch“ zusprach; eine vitaminspritze, die sich gelohnt zu haben scheint. warum der roman „knochenlieder“ heisst? bin noch nicht so weit.

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