Samstag, 19. November 2016

MÜNCHEN: PEK ÖZLEDIM O DEMLERI

ungewohnte tonarten, ungewohnte klangfarben, ungewohnte rhythmen. und doch wird sofort klar: das ist grosse poesie. der chor armoni-ahenk und sein musikalischer leiter ahmet kadri rizeli haben sich entschieden, im grossen konzertsaal der münchner hochschule für musik und theater einen abend mit liedern von türkischen komponistinnen zu veranstalten. ausschliesslich -innen, im sinn einer späten ehre. denn durch die räumliche trennung von frauen und männern im traditionellen islam entwickelte sich eine separate frauenkultur; bedeutendes entstand in den nebenräumen der paläste und blieb vielfach unbemerkt, unentdeckt. es sind lieder voller melancholie, die die sechs sängerinnen, fünf sänger und sieben instrumentalisten (u.a. schossgeige und trapezzither) mit viel empathie und sorgfalt vortragen. hier wird viel geweint, getrauert, gehofft, gewartet. „von tag zu tag geht es mir schlechter“ – „ich bin der kummervolle herbst“ – „ich bin so leidbeladen, dass ich in enttäuschung versunken bin“ – diese kompositionen zielen und ziehen in die tiefe. angesichts der aktuellen entwicklung in der türkei erscheint jede liedzeile doppeldeutig. im publikum sitzen mehrheitlich deutschtürkinnen und –türken und mesut koç, der türkische generalkonsul für münchen. die sehnsucht nach besseren zeiten, nach neuen perspektiven ist im saal fast mit händen zu greifen, wenn esra içöz gegen ende mit bebender stimme singt: „pek özledim o demleri – wie sehr ich diese zeiten vermisse“.

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