Sonntag, 16. Oktober 2016

BERLIN: RUSALKA, DEUTSCH UND DEUTLICH

ihre grosse arie, das "lied an den mond", singt rusalka für einmal nicht im silberschein am teichufer, nein, die nixe formuliert ihre amourösen begehren sitzend auf dem parkett eines wiener salons der vorigen jahrhundertwende. freud veröffentlichte seine traumdeutung im gleichen jahr wie dvorak seine märchenoper "rusalka" - für barrie kosky an der komischen oper berlin eine steilvorlage: wie die nixe aufgrund ihrer liebe zu einem prinzen zur frau werden möchte, so habe doch jeder mensch mal das bedürfnis, ein anderer zu sein. folgerichtig interessieren kosky an diesem märchen vor allem die risiken und nebenwirkungen, er denkt den romantischen zauber ins extreme weiter: aufgeschlitzte fische, grapschende männer, blut an den prinzenhänden, eine kotzende katze, ein diamantbehangenes skelett; der traum vom wandel wird zum albtraum. reichlich bilder für eine nette meditation übers andersseinwollen, danke, herr kosky. schlicht genial bewegt sich nadja mchantaf bei ihrem rollendebut als rusalka durch diesen rabiaten rausch, mit glockenhellem sopran in den höhen und wunderbar eingedunkelt in den tieferen lagen. wie sie sich sehnt, ihr schuppenkleid abzustreifen, wie sie als gewandeltes wesen die erotik erst entdecken muss, wie sie auf beinen zu stehen und später gar zu tanzen versucht, wie sie vor verzweiflung schliesslich irre wird, das berührt vom ersten bis zum letzten takt. dass hier nicht wie üblich das tschechische original gesungen wird, sondern eine zuweilen arg holprige deutsche fassung, ist ein wermutstropfen. der einzige an diesem abend.

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