Montag, 22. August 2016

FELDAFING: KRAFTORT DER LIEBE

kraftort. ein kraftwort. die roseninsel bei feldafing ist ein kraftort der liebe, ein kraftort des herzens (christopher weidner, mystische orte in oberbayern). dieses einzige inselchen im starnbergersee liess maximilian II. von bayern um 1850 zum garten seiner geplanten und nie vollendeten sommerresidenz umgestalten. sein mit hochkomplexer persönlichkeit gesegneter sohn ludwig empfing hier den mit hochkomplexer persönlichkeit gesegneten richard wagner und ging später am ufer gleich gegenüber ins wasser oder wurde gegangen. ein kraftort der liebe? heute äussert er sich darin, dass sich täglich hunderte von eher betagten damen und herren von einem bayerisch kostümierten fährmann in einer venezianisch inspirierten gondel übersetzen lassen und sich dann in den rosengärten das neuste vom dementen korbinian und der missratenen quarktorte neulich bei gundi gegenseitig in die hörgeräte brüllen. ein kraftort. und für mich? für mich sind die parkbänke bei der anlegestelle der fähre exakt kilometer 43 meiner 86-km-radltour schwabing-pasing-gauting-starnberg-seeshaupt-ambach-starnberg: halbzeit. also doch irgendwie ein kraftort, wenn nicht der liebe, dann wenigstens der wadenmuskulatur.

Donnerstag, 11. August 2016

LOCARNO: KÖPEK

dieses schlussbild: nacht, eine menschenleere strasse in einem aussenquartier von istanbul, von ampeln hell erleuchtet, auf dem weiss getünchten trottoir eine grosse blutlache, die ein einsamer wachmann mit einem viel zu schwachen wasserstrahl wegspülen und vergessen machen will; auf diese weise wird sie nur noch grösser und schmieriger. so endet „köpek“, das mit dem schweizer filmpreis ausgezeichnete meisterwerk der schweizerisch-türkischen regisseurin esen işık. drei geschichten über die alltägliche gewalt in der türkei: gewalt an einer ehefrau, gewalt an einem transsexuellen, gewalt an und von kindern. „köpek“ (der hund) wurde vor dem türkischen desaster gedreht und gezeigt – und jetzt wieder im rahmen des festivals von locarno. man erlebt diesen film nach dem putsch und den darauf folgenden rückfällen ins vordemokratische zeitalter noch intensiver, noch bedrückender. jedes noch so private bild aus diesen privaten geschichten scheint jetzt noch in eine andere dimension zu weisen, eine politische, eine staatliche – und diese nächtliche blutlache am schluss ist von kaum auszuhaltender symbolik: was bleibt, ist trostlos, ist hoffnungslos, ist ganz und gar ohne leben und ohne zukunft.

Mittwoch, 3. August 2016

GABIANO MONFERRATO: GOETHE

"eine ganz andere elastizität des geistes." da hat goethe die wirkung von südlichen gefilden doch recht gut getroffen - und zeitlos ("italienische reise", erschienen just vor 200 jahren und nach wie vor ein fabelhafter reiseverführer). ein paar tage im piemont genügen und man teilt herrn goethes befunde und begeisterung: "ob ich gleich noch immer derselbe bin, so mein' ich, bis aufs innerste knochenmark verändert zu sein."