Mittwoch, 27. Juli 2016

MÜNCHEN: ZEMENT

wie zement lastet die zukunft auf diesen menschen. bibiana beglau ist dascha tschumalowa, sebastian blomberg ist gleb tschumalow. ein paar, das durch den bürgerkrieg drei jahre getrennt war. das paar aus fjodor gladkows revolutionsroman „zement“ von 1926. heiner müller hat ihn zu einer sprachmächtigen tragödie verdichtet, die selten, aber jetzt seit drei jahren am münchner residenztheater gespielt wird. die verfallende zementfabrik bildet den dramatischen hintergrund, und ein koffergrosser zementbrocken ist in dimiter gotscheffs inszenierung das dominante requisit auf der sonst leeren, schiefen bühne. auch dazu hat heiner müller einen starken text geschrieben, über das zunehmende gewicht des steins und die abnehmende arbeitskraft, was hier vom chor aus zementstaubgepuderten schauspielschülern immer wieder neu reflektiert wird, eine choreografie aus hoffnung und enttäuschung, revolution und resignation. höhepunkt dieser inszenierung ist die halbe stunde nach der pause. da sitzen und liegen dascha und gleb allein und verloren auf der riesigen bühne: er findet sich in einer heimat wieder, die er kaum mehr kennt; sie hat das zuhause und die familie ihrer revolutionären aufgabe geopfert. beide versuchen sich zu erklären, ihre visionen und ihre körper kommen sich dabei zunehmend in die quere, sie fragen, sie antworten, sie verzweifeln, schweiss und tränen. „ich kann dich nicht aus meinem herzen reissen“, schreit gleb – aber die gemeinsame sprache, irgendetwas, was von der vergangenheit für die zukunft bleibt, ist diesem paar abhanden gekommen. beglau und blomberg spielen diese sequenz überwältigend, ein gigantisches duett der entfremdung. „die realität ist für diejenigen, die ihre träume nicht aushalten“, stand mal als jahresmotto auf den postern des residenztheaters; es muss sich auf dieses stück bezogen haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen