das
ist grosses schauspielertheater. drei männer, zwei stunden, ein konflikt. die
schlacht um troja scheint odysseus nur noch mit dem überragenden bogenschützen
philoktet für sich entscheiden zu können, doch den hat er wegen einer arg
stinkenden wunde vor jahren kaltblütig ausgesetzt. also schickt er den
unbelasteten jüngling neoptolemos vor, um den ausgesetzten für sich
zurückzugewinnen. ein verhängnisvolles dreieck, eine zeitlose konstellation:
ein machtmensch, ein aussenseiter, ein vermittler. das politische und das
private überlagern sich allgegenwärtig. worte werden hier zu waffen – das beabsichtigte
heiner müller in seiner sprachmächtigen zuspitzung von sophokles‘ „philoktet“ und
das unterstreicht der bulgarische regisseur ivan panteleev mit seiner
inszenierung am cuvilliéstheater der münchner residenz. worte sind waffen, ob
geschleudert, gefeuert oder taktisch subtil und schleimerisch eingesetzt: sie
verwunden und sie töten. shenja lacher (odysseus), aurel manthei (philoktet)
und franz pätzold (neoptolemos) sind drei energiegeladene und hochpräzise
schauspieler, die jedes wort auch körperlich umsetzen, ihm seine unmittelbare
wirkung geben und sein nachhaltiges echo lassen, was durch den wunderbar
leeren, nur mit daunenfedern bedeckten bühnenraum von johannes schütz eine
zusätzliche dimension gewinnt. es zucken die worte, es zucken die gedanken, es
zucken die gesichter. lauter monologe und dialoge und erst nach zwei stunden
dann das finale terzett, wo sich die drei im stakkato konfrontativ und
überlagernd vorhalten, was ihr jeweiliges handeln oder nicht handeln für
individuelle oder politische konsequenzen nach sich ziehen wird. ein terzett
der ohnmacht, ein terzett der ausweglosigkeit, ein terzett hin zum tod.
Sonntag, 20. Dezember 2015
Freitag, 18. Dezember 2015
MÜNCHEN: DER SPIELER
vier
clevere schulkinder lesen und spielen sequenzen aus dostojewskis „der spieler“.
wie aus einer fernen, fremden welt. fünf schauspieler lesen und spielen
ebenfalls szenen aus diesem roman. wie aus einer sehr nahen, sehr vertrauten
welt, die vom geld getrieben wird und nur vom geld. was die kinder und die erwachsenen
verbindet, sind mehrere dutzend umzugskartons: das symbol des unterwegsseins,
des unbehaustseins, des suchens als bühnenbild und spielmaterial
für grosse und kleine schauspieler, die sich immer wieder begegnen und
spiegeln. christopher rüping zeigt in seiner inszenierung an den münchner
kammerspielen eine annäherung an diese russische gesellschaft, die im fiktiven
roulettenburg ultimativ dem glücksspiel verfällt und dabei geld und gefühle
gleichermassen verjubelt. thomas schmauser in der titelrolle als privatlehrer
mit casinodrang hat gefühlt alle zehn minuten eine schreiarie, einmal darf er –
durchaus beeindruckend – auch tierstimmen imitieren; der weg des spielers in
die verzweiflung und einsamkeit wird hier also permanent und penetrant
akustisch markiert. dieser abend ist alles: brülltheater, dancefloortheater, videotheater,
hüpfburgentheater. und dieser abend ist nichts: die figuren bleiben eindimensional,
der diskurs und die atmosphäre auf der strecke, dostojewski verhackstückelt, die regie findet keinen rhythmus. dieser abend
ist alles und nichts, er ist mal erheiternd, oft ernüchternd und mit vielen
längen vor allem auch sehr ermüdend. für die kinder gab´s am schluss herzlichen
beifall, fürs regieteam üppig buhs. christopher rüping ist ab nächster
spielzeit hausregisseur an den kammerspielen. mal sehen.
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