Sonntag, 27. September 2015

MÜNCHEN: LULU, LABYRINTHISCH

ein labyrinth aus glas verstellt die riesige bühne der bayerischen staatsoper. darin tanzend und taumelnd: die gesellschaft. alkohol, geld, triebe, kampf der geschlechter, die gesamte choreographie des lebens. davor, auf knappstem raum an der rampe, ein paar quadratmeter nur und ein paar stühle, lässt dmitri tcherniakov die tragödie der lulu spielen, "die tragödie von der gehetzten frauenanmut" nannte sie karl kraus. dieses fragile kabinett ist als visuelles konzept ebenso überzeugend (lulus lust, leidenschaft und leiden als spiegelbild der wirklichkeit) wie für die dauer von vier stunden doch eher redundant und in seiner räumlichen beschränktheit ermüdend. die dramatische wucht des abends, seine sprengkraft, entwickelt sich umso mehr im orchestergraben: kirill petrenko zieht das bayerische staatsorchester - wieder einmal - in einen sog. die todbringende schönheit lulus, die projektionen der ihr verfallenen männer, das alptraumhafte der beziehungen, zeugung und zerstörung - alles, was in alban bergs komplexer melodik angelegt ist, voller dynamik und dunklem zauber, wird hier aufs prächtigste ausgestaltet und zu einem musikalischen rausch gesteigert. marlis petersen als lulu und bo skovhus als dr. schön und jack the ripper bringen stimmlich genau das mit, was die partitur und die rollen von ihnen fordern: das obsessive, im anziehenden wie im abstossenden, das lang anhaltend obsessive. alle lust will ewigkeit.

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