Mittwoch, 8. Juli 2015

FRANKFURT: DON GIOVANNI, VOM ENDE HER

don giovanni ist müde geworden. er geht langsam, leicht gebückt, setzt sich immer wieder hin und braucht gegen ende einen stock. und durchaus synchron bröckelt auch das barocke palais, wo er lebt. die frühere pracht lässt sich noch erahnen, so wie die feurigen blicke die einstige leidenschaft des grossen verführers immer wieder durchschimmern lassen. mit seinem wunderbar beweglichen, hellen bariton gelingt dem jungen daniel schmutzhard das sowohl stimmlich wie darstellerisch eindrückliche porträt eines alternden mannes: dieser don giovanni erobert nicht mehr, sondern – wie alfred döblin das formuliert hat – er lacht über seine natur. er geistert gleichsam durch rückblenden. christof loy arbeitet in seiner inszenierung an der oper frankfurt mit raffinierten kontrasten: je fahler der titelheld unter seiner blondgrauen mähne wird, desto mehr farbe und leben gewinnen die anderen figuren. don giovannis opfer, die frauen und indirekt auch die männer, werden zu einer quirligen schicksalsgemeinschaft und emanzipieren sich von takt zu takt mehr. eine schicksalsgemeinschaft sind sie bei unserem besuch auch aus einem anderen grund: karsten januschke dirigiert sich dermassen lustvoll durch den höllischen melodienreigen, dass ihm die koordination zwischen orchestergraben und bühne immer wieder entgleitet. trotz vielen kraft- und gefühlvollen stimmen also keine tonspur für die ewigkeit. umso nachhaltiger wirken einzelne bilder, einzelne szenen: ein erotisches tableau, vom ende her gedacht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen