Samstag, 31. Januar 2015

MÜNCHEN: GUILLAUME TELL

riesige schwarze röhren schweben über der riesigen schwarzen bühne. sie sehen aus wie überdimensionierte kanonenrohre. und wenn sie sich auf den boden senken, erinnern sie an kräftige baumstämme oder gefängnisgitter. das bühnenbild, das florian lösche für rossinis „guillaume tell“ an der bayerischen staatsoper geschaffen hat, ist ein eigenständiges, abstraktes kunstwerk. hier erzählt schauspielregisseur antú romero nunes in seiner ersten operninszenierung tells geschichte: kein bergidyll, keine folklore, kein pathos. die erwartungen des publikums irritiert er auch, indem er ihm schon mal die bekannte ouverture vorenthält – und sie erst als soundtrack zum apfelschuss nachliefert, wenn alpenmonster und kindersoldaten des tell-buben hirn durchzucken und ihn nachhaltig traumatisieren. michael volle als tell (strickpulli, brille, rote haare) ist hier nicht der gefeierte freiheitsheld, sondern ein trotziger klein- und wutbürger, der die welt in gut und böse teilt, der verzweiflung meist näher als der überlegenheit; ein faszinierendes rollenporträt und eine grosse stimme, kräftig und warm. daneben yosep kang mit strahlendem tenor und krassimira stoyanova mit dunklem sopran sehr berührend als obwaldnerisch-habsburgisches liebespaar arnold/mathilde – und auch alle anderen figuren, bis in die letzte nebenrolle, sind top-besetzt. mit diesem tollen ensemble schafft dirigent dan ettinger aus rossinis ernsthaftester oper ein musikalisches stimmungsbild, das sich mit der intelligenten inszenierung aufs eindrücklichste verbindet. überwältigender applaus für diesen frischen blick auf die anfänge der schweiz.

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