Sonntag, 30. November 2014

BASEL: OTELLO UNTERM HAFENKRAN

"un bacio! un altro bacio!" otello bekommt den kuss von desdemona, doch umarmen kann er sie nicht in ihrem weissen kleid, seine hände sind blutig (kriegshandwerk? vorahnung?). stumm und einsam gehen die beiden unter dem riesigen hafenkran, der die bühne dominiert, auseinander, in entgegengesetzte richtungen, in die dunkelheit: das grosse liebesduett im ersten akt ist der anfang vom ende. liebe, intrige, eifersucht, rache - was verdi mit dramatischen motiven steigert und gabriel feltz mit dem sinfonieorchester basel wuchtig und plastisch herausarbeitet, bringt regisseur calixto bieito immer wieder zu figurenkonstellationen, die unter die haut gehen: er seziert die echten und die falschen gefühle mit leidenschaftlicher präzision. daneben illustriert er, permanent und penetrant, den explosiven politischen kontext dieses an sich privaten dramas: bühnenbreiter stacheldrahtverhau, flüchtlinge, ein erhängter vermummter, blutverschmierte gefangene, kopulierendes machtpersonal. das basler premièrenpublikum braucht diese wohldosierten provokatiönchen, um seine wohldosierte entrüstung abzusondern. es funktioniert, auch diesmal. dabei liegt das problem dieser aufführung anderswo. der litauische tenor kristian benedikt singt sich als otello dies- und jenseits seiner grenzen entlang, zu wenig strahlkraft für diese rolle, kaum farben, kaum glanz in der stimme. immerhin, was ihm stimmlich abgeht, macht er darstellerisch wett; als verzweifelter, als rasender und, als er die intrige gegen ihn zu spät erkennt, als gebrochener mann, allein, zuoberst auf dem hafenkran. er muss den tod nicht suchen, der tod sucht ihn.

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