Freitag, 31. Oktober 2014

LUZERN: URBANSCAPES

leere strassen in mailand. leere strassen in san francisco. leere strassen in istanbul. in paris. in beirut. in shanghai. der italiener gabriele basilico fotografierte seit den 1970er-jahren stadtlandschaften. es sind statische bilder, die das kunstmuseum luzern zeigt; dass sich auf diesen strassen, zwischen industriearealen oder wohnblocks, keine menschen befinden und bewegen, irritiert im ersten moment. gabriele basilico (1944-2013), ursprünglich architekt, dann architekturfotograf, wirft einen scharfen blick auf das gebaute und schafft dabei oft das kunststück, die diskrepanz zwischen dem gedachten und dem daraus gewordenen einzufangen. die menschen sind ihm also nur scheinbar abhanden gekommen – sie stehen, ohne dass man sie sieht, im zentrum seines interesses: er verfolgt, wie sich architektur, wie sich quartiere, wie sich ganze städte für die menschen und durch die menschen verändern. fotografische feldforschung, exakt und eindrücklich. und immer wieder gewinnt basilico der realität unmittelbar eine eigenwillige poesie ab: blendende mittagssonne über einer nigelnagelneuen fabrik und einer nigelnagelneuen strasse im mailänder speckgürtel, alles bereit für die zukunft, doch am rand das schild „strada senza uscita“.

Montag, 27. Oktober 2014

AVIGNON: GUTE FRAGE

olivier py, seit diesem sommer direktor des theaterfestivals von avignon, fragt: "erinnern sie sich mal an ihren letzten theaterbesuch und dann an die tagesschau von vor einer woche. was bleibt?"

Samstag, 25. Oktober 2014

LUZERN: DON JUAN - VIELE KÜSSE, VIELE ÄNGSTE

herzallerliebst! wie die tanztruppe des luzerner theaters die geschichte vom begnadeten verführer don juan präsentiert, das ist ein wahres bijou. zu mix-musik aus opern, balletten und sinfonien von christoph willibald gluck und inmitten wild wechselnder barocker bühnenprospekte entwirft der brasilianische choreograf fernando melo figuren-konstellationen, so filigran und fulminant, dass man sich nicht satt sehen kann. wo zum beispiel hat man schon einen mehrere minuten dauernden pas de deux geboten bekommen, bei dem sich die beiden ununterbrochen küssen, erotik und akrobatik aufs köstlichste verbindend? das kommen und gehen 2065 weiblicher schönheiten in don juans leben wird mit atemberaubendem slapstick und verblüffenden theatertricks auf die spitze getrieben, ein permanentes trompe-l’oeil. mit diesem die tänzer wie das publikum gleichermassen elektrisierenden gewusel könnte der abend endlos an der oberfläche bleiben. tut er aber nicht. ganz bewusst verdeutlicht die choreografie, wie die zahllosen verführungen und versuchungen nicht nur die gefühlswelt der damen durcheinander bringen, sondern durchaus nachhaltig vor allem don juans eigene, hier also deutlich von mozarts einigermassen unreflektiertem don giovanni abweichend. samuel déniz falcón ist für diese sichtweise die ideale besetzung: ein junger strahlemann, hinter der fassade mit selbstzweifeln, existenzängsten, todesahnungen ringend – ein differenziertes rollenporträt. und am schluss, zu glucks betörenden schatten-melodien, eine durchaus attraktive leiche.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

ESSAOUIRA: DENKEN AM MEER

"das denken fiel schwer so nah am meer. man verlor seine grenzen, man gab gern auf." lutz seiler, "kruso", eben mit dem deutschen buchpreis geadelt. dies an der marokkanischen atlantikküste sitzend gelesen. und einige seiten später noch dies: "niemand, der wirklich zur insel gehörte, brauchte ein warum." ein roman von betörender poesie. denken am meer. und nicht denken.