Samstag, 22. März 2014

MÜNCHEN: TAUBERBACH

estamira lebt auf einer müllhalde in rio de janeiro. seit über 20 jahren. es gibt einen dokumentarfilm über sie. jetzt spielt die holländische schauspielerin elsie de brauw diese estamira an den münchner kammerspielen. an einem ganz und gar aussergewöhnlichen abend. die bühne ist über und über mit kleidern bedeckt, in allen farben. estamira sucht darin sich und die welt: sie wühlt und wandert und schreit herum, mal sind es philosophische satzbrocken, mal chaotische. „did you hear the storm? it was inside me.“ der belgische choreograf alain platel konfrontiert diese frau mit zwei tänzerinnen und drei tänzern von les ballets c de la b, sie tauchen auf aus den kleiderbergen und verschwinden wieder, sie geben estamiras welt eine form und einen inhalt. dies zu behutsam eingespielter musik von johann sebastian bach, die teilweise – und sehr innig – von gehörlosen interpretiert wird, was dem abend auch den titel gab: „tauberbach“. so entsteht ein panorama der menschlichen regungen: mal erinnern die tänzer an glücklich spielende und experimentierende kinder, mal lieben sie sich ohne scham wie tiere, mal arrangieren sie szenen, die an christi leidensgeschichte erinnern, wild und zärtlich, exstatisch und verletztlich. jeder wird hier andere bilder sehen, jeder wird anderen gedanken nachhängen. auch estamira ist erstaunte beobachterin, gelegentlich kommentiert sie, gelegentlich greift sie ein. das ist sprechtheater, musiktheater und körpertheater in einem – und vor allem ist es eine vollkommene meditation über das menschsein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen