Sonntag, 19. Januar 2014

BASEL: EUGEN ONEGIN, UNTERKÜHLT

teile des basler premièrenpublikums leiden unter chronischem applauszwang: kaum hält das orchester einen moment inne, bricht krankhaftes klatschen los (xeirokrotorrhoe...). das wirkt bei „eugen onegin“ erstens extrem störend – weil tschaikowsky ein „intimes, erschütterndes drama“ vorschwebte – und ist zweitens bei der inszenierung von corinna von rad unbegründet und unverdient. die regisseurin möchte die figuren, die in der russischen provinz lieben und leiden und ihre ungelebten leben zelebrieren, aus kritisch-ironischer distanz sehen, wie dies puschkin im gegensatz zu tschaikowsky in seiner romanvorlage tat. diesen ironischen zugriff allerdings schafft nur, wer sein personal liebt – und frau von rad liebt es nicht und bemüht sich neben kritischer auch noch um coole distanz, woraus eine total unterkühlte atmosphäre resultiert (in einer hässlichen hotellobby), die die protagonisten isoliert und zur schwelgerischen musik tschaikowskys in unüberbrückbarem kontrast steht. die zentrale ballszene gestaltet frau von rad als schräge parodie auf die russenmafia und übersieht dabei völlig, dass hier die eskalation der dreiecksbeziehung zwischen onegin, seinem freund lenski und dessen freundin olga, die später zum tödlichen duell führt, im fokus stehen würde. ziemlich weit am ziel und an der musik vorbei. dass erik nielsen im letzten moment als dirigent einspringen musste, macht den abend auch nicht eben runder. immerhin ganz tolle stimmen, durchs band: eung kwang lee als onegin, sunyoung seo als tatjana, andrej dunaev als lenski, liang li als gremin. in der letzten viertelstunde, endlich, werden sie ins zentrum und in eine echte beziehung zueinander gerückt. ziemlich spät, zu spät.

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