widerstand
ist wichtig. also sperrt der junge genfer informatiker, autor und theatermacher
nicolas vivier in seinem neuen stück drei typen und eine junge frau in einen
keller. dort grübeln sie und faseln und trinken und planen: la résistance.
gegen die kleingeistigen beamten, gegen die konsumindustrie, gegen den staat, der
hier sogar die sprechdauer und die vokale rationiert hat (deshalb „resestence!“).
die energie der vier reicht jedoch nicht über den keller hinaus, ihre
revolution findet nicht statt, trotzdem werden sie verhaftet. vivier hat seinen
ionesco und seinen beckett gelesen und versteht es hervorragend, kluge
reflexionen über widerstand und freiheit in absurdes theater zu übersetzen. ein
schmieriger präsentator mit geschmackloser langhaarmähne und weisser plastikbrille hilft ihm dabei, lullt zu beginn lästig die leute ein („l’industrie
prend soin de nous“) und moderiert später den schauprozess gegen die widerständler
als widerliche tv-reality-show, wo er ihre zeugenaussagen mit zynischem
piano-gesäusel kommentiert; dario brander lebt in dieser rolle seine dunklen
seiten aus. die compagnie la ruche verhandelt während kurzweiligen 75 minuten
die grenzen zwischen wunsch und wirklichkeit, zwischen realität und phantasie,
zwischen politik und wahnsinn. am schluss grübeln sie wieder und faseln und
trinken. und über ihren köpfen flimmern die menschenrechte richtung
bühnenhimmel, mit rationierten vokalen. der überaus amüsante abend ist auch ein
überaus philosophischer abend.
Samstag, 26. Oktober 2013
Donnerstag, 24. Oktober 2013
ORANGE COUNTY: USA LIVE
sda-meldung heute: "ein fünfjähriger bub hat sich in den usa mit einer pistole erschossen, die seine babysitterin achtlos auf dem wohnzimmertisch liegen gelassen hatte." pistole. achtlos. auf dem wohnzimmertisch. und, ja, gleichzeitig wird bekannt, dass der us-geheimdienst vermutlich das handy von angela merkel abgehört hat. usa today.
Samstag, 19. Oktober 2013
ZÜRICH: ROCCO UND SEINE BRÜDER
der
zehnjährige luca steigt zu beginn auf den apennin, im theater neumarkt ein
kleiner steinhaufen in der mitte, der nord- und süditalien trennt, und erzählt anrührend,
wie die älteren brüder den vater im meer bestattet haben. es braucht nur diese
paar wenigen italienischen sätze und man ist schon mittendrin in der
trostlosigkeit (und der schwarz-weiss-ästhetik) der frühen sechziger jahre, als
die verarmten familien aus dem süden zu tausenden nach mailand zogen. mit „rocco
e i suoi fratelli“ hat ihnen luchino visconti ein geradezu dokumentarisches
denkmal gesetzt. und peter kastenmüller eröffnet mit dieser geschichte jetzt
seine intendanz am zürcher neumarkt, weil ihn das thema migration interessiert
und dabei die ankunft am neuen ort mehr als der abschied vom alten. er
verdichtet das epos auf eineinhalb stunden, schafft tempo mit einer
schienenkarre, die quer durch den raum rattert, und ruhe mit dezenten
videoeinspielungen, wechselt rasant die perspektiven vom erzählen zum spielen
und zurück, verkürzt massiv und gibt den figuren trotzdem scharfe und
unverwechselbare konturen. nein, diesen fünf brüdern geht es nicht um träume und
utopien, sondern um die nackte existenz. die einen versuchen es mit boxen, die
anderen strampeln nur und straucheln. das leben als kampf, als fortwährende
versuchung, als tödliche rivalität. theater ist immer live, deshalb entwickelt
dieses drama, das fürs kino geschrieben wurde, in diesem kleinen raum einen
enormen sog, durch die bewegung, durch die nähe, durch die präsenz dieser
jungen schauspieler. ein ausgesprochen kraftvoller zürcher einstand für
kastenmüller und sein ensemble.
Freitag, 18. Oktober 2013
LUZERN: TIĀN'É DÍFANG
saisonende? keine spur, nicht in luzern. hier bevölkern die chinesischen touristen den schwanenplatz nach wie vor zu hunderten, zu tausenden - und machen ihn zum tiān'é dífang. sie stürzen sich in die uhrenboutiquen, von denen fast im wochenrhythmus neue eröffnet werden. "der soziale druck, freunden und verwandten teure geschenke mitbringen zu müssen - das lässt chinesische gruppenreisen oft in wahre einkaufsorgien ausarten", schreibt china-korrespondent kai strittmatter im "tages-anzeiger". das erklärt die jagdstimmung am schwanenplatz. die nackten zahlen zu diesem sozialen druck: auf rund 90 millionen auslandreisen geben chinesinnen und chinesen dieses jahr mehr als 100 milliarden dollar für shopping aus. rechne.
Dienstag, 8. Oktober 2013
SERPA UND TAVIRA: 43x DIES UND DAS
theresia und christoph, alentejo und algarve, landleben und strandleben, thunfisch und zwiebeln, marlise und maria angela, romantische friedhöfe und gigantische flutlichtanlagen, pink wc-papier und smaragd wc-papier, fiat punto und eselkarre, moacyr scliar und florian illies, nicole und simone, luftmatratzen und fischerboote, engländer und holländer, cantinho do emigrante und restaurante sal, frankfurter allgemeine und informação, super bock und sagres, travessa de lisboa und cantar do grilo, sonja und felix, blauer himmel und rote erde, olivenbäume und eukalyptus, morgensonne und feldhasen, kürbiskonfitüre und pflaumenkonfitüre, syrah und lucky, ansichtskarten und whatsapp, pferdeflüsterer und hundeflüsterer, sonnenbrille und lesebrille, reife granatäpfel und keine eier, swimming-pool und stauseen, kieswege und schnellstrassen, portugiesische dorfplätze und spanische dorfplätze, anna und luis, schweinebacke und erbsen, minze und lavendel, fado und vivaldi, ziegenkäse und schafkäse, kein kanu und kein segelschiff, melancholie in den dörfern und monotonie in den tälern, olá und obrigado, eugen ruge und gaito gasdanow, ebbe und flut, rotkraut und rüben, piz buin und la roche-posay, mandeleis und mandala, nichts tun und gar nichts tun.
Abonnieren
Posts (Atom)