Samstag, 4. Mai 2013

MÜNCHEN: PLATTFORM

was verbindet dostojewski und houellebecq? dostojewskis figuren zweifeln an gott, an der liebe, am sinn des lebens. houellebecq treibt sein personal eine phase weiter: kein zweifel, kein gott, keine liebe, kein sinn des lebens. michel zum beispiel, die autobiografisch grundierte hauptfigur im roman „plattform“, arbeitet lust- und ziellos im kulturministerium, vögelt ebenso ziellos herum, leere, absolute leere. mit valérie gründet er eine plattform für sex-tourismus, doch valérie stirbt kurz darauf in einer bombe muslimischer terroristen. michel landet beim psychiater. hier setzt stephan kimmigs dramatisierung des romans an den münchner kammerspielen an, in der klinik. ein raumhoher kubus aus blendendweissen gazevorhängen und weissen sofas bildet den rahmen, in dem michel von einer psychiaterin und einem psychiater befragt wird. zum plot des romans montiert kimmig passagen aus einem gespräch, das star-interviewer andré müller 2002 mit houellebecq geführt hat („das beste mittel gegen die angst ist die gleichgültigkeit“). das ergibt zwei dichte, dokumentarische, deprimierende stunden. steven scharf, wie immer meisterhaft, irrt als mann ohne freude und ohne perspektiven rastlos in den gazeschleiern umher, verfolgt von einer videokamera, die seinen leicht verschwitzten und gebeugten körper live und porentief auf die vorhänge liefert. kein gramm optimismus, nix. man möchte nicht psychiater sein.

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