Sonntag, 3. März 2013

STUTTGART: NABUCCO

giuseppe verdis „nabucco“ ist eine oper über kollektive und individuelle heimatsuche und heimatverlust und – eine choroper. stuttgart hat einen hervorragenden und vielgerühmten opernchor. eine steilvorlage also für den erst 29jährigen österreichischen regisseur rudolf frey. und wie er sie genutzt hat! zu „va pensiero“, dem chor der gefangenen hebräer, stellt er die 80 sängerinnen und sänger vor 80 schwarze stühle. eine statische graue masse. doch mit der melodie, dem musik gewordenen durst nach freiheit, entwickeln sich aus dieser masse 80 individuen. jedes einzelne hat seine not, jedes einzelne hat seine hoffnung, die stühle werden zu bewegten metaphern: einer nimmt ihn als schutzschild, einer packt ihn sich als waffe, eine sieht darin ihren geliebten, eine hält ihren stuhl mit verzweiflung hoch, einer den seinen mit einem leuchten in den augen. schlichte, ergreifende schicksale. man hat diesen gefangenenchor schon oft berührend gehört, so gesehen hat man ihn noch nie. dank solcher detailarbeit mit jedem einzelnen gelingt rudolf frey eine über weite strecken überzeugende deutung, zeitlos und weit entfernt von den überladenen arena-produktionen dieses werks. einzig die englische sopranistin catherine foster als nabuccos rivalisierende stieftochter abigaille macht auf diva und deckt das differenzierte ensemble mit dröhnender stimme zu; eine – das wort ist hier leider naheliegend – rampensau, die in dieser nuancenreichen inszenierung fehl am platz ist.

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