Samstag, 9. Februar 2013

MÜNCHEN: FEGEFEUER, BLACKOUT, HÖLLE

eine junge frau ist ungewollt schwanger und redet dummes zeug. blackout. eine alte frau löffelt haferbrei und betet dazu. blackout. drei sitzen am tisch und reden nichts, bis eine ohrfeige knallt. blackout. „fegefeuer in ingolstadt“. blackout. blackout. blackout. bestimmt mehr als 50 blackouts in 100 minuten. sehr nervig: die blackouts dauern oft länger als die szenen davor. und das allernervigste ist nicht die bild-, sondern die tonspur: die stimmen ertönen nicht live, sondern ab band, und die schauspieler bemühen sich, die lippen synchron zu bewegen. die münchner kammerspiele bieten quasi ein illustriertes hörspiel. das lenkt völlig ab: ich höre nicht auf den text, sondern hoffe, dass die schauspieler den einsatz zur tonkonserve nicht verpatzen. und ich bin nicht der einzige. dabei wäre die flackernde super-8-ästhetik der frühen 60er-jahre, die regisseurin susanne kennedy gewählt hat, ein absolut idealer rahmen für marieluise fleissers sprachmächtige analyse der sprachlosigkeit im katholischen provinz-mief, wo der übergang vom alltag zum fegefeuer und vom fegefeuer zur hölle fliessend ist. alles verschenkt. frau kennedy reduziert frau  fleissers drama auf satzfetzen, entstellt es mit fassbinder-zitaten und harten schnitten bis zur unkenntlichkeit und will provozieren um jeden preis. das gelingt ihr ganz hervorragend. das publikum reagiert gereizt, aufgebracht, verständnislos: während auf der bühne sehr redundant gebetet wird, schreien einige im parkett das ende herbei. immerhin: anschliessend im „blauen haus“ diskutiert das premierenpublikum auch zu vorgerückter stunde nicht über forellenmousse und alpenochsenlende und wochenendpläne, sondern immer noch – eifrig bis erbittert – über die inszenierung. welche regisseurin schafft das noch?

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