Montag, 4. Februar 2013

MÜNCHEN: DAS BRÜDERLE IN UNS ALLEN

es ist ein opernhafter rausch! wer nur die bilder dieser inszenierung sieht, tippt auf eine buffa von rossini oder einen völlig exaltierten „rosenkavalier“: kümmerliche gestalten in pastellfarbenen witzkostümen, üppig gepudert und grell geschminkt und waghalsig perückiert, werden durch eine ausgeklügelte lichtregie in tiefen orange-, lila-, violett- und gelbtönen gebadet. doch die bonbonfarbene orgie gilt keiner oper, sondern einer russischen komödie. was herbert fritsch zu beginn seiner steilen karriere als regisseur vor sechs jahren in luzern mit molières „der geizige“ angedacht und ausprobiert hat, treibt er am residenztheater in münchen mit gogols „der revisor“ jetzt dem höhepunkt entgegen. die verlogene korruptheit und die penetrante geilheit der provinz, die angesichts des angekündigten kontrollbesuchs aus der hauptstadt kaschiert werden sollen und dann umso ungebremster zu tage treten, illustriert fritsch mit entfesseltem körpertheater, für das ihm hier ein entfesseltes ensemble zur verfügung steht. die komödie wird zum perfekt choreografierten comic; wörter werden gekaut und ausgespuckt oder in den saal geschleudert, durch grimassen gequetscht oder bis zur unverständlichkeit in abartige körperstellungen gepackt. alles politisch unkorrekt, alles sexistisch überdreht: fritsch entlarvt das brüderle in uns allen (première war vor der aktuellen aufschrei-debatte). die redundanz der botschaft – gelogen wird faustdick und überall und immer – ermüdet gelegentlich, und trotzdem hat diese inszenierung mit ihren messerscharfen wortkaskaden und ihren visuellen überreizen das zeug zum kult. keine oper, aber grosse oper.

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