Sonntag, 16. Dezember 2012

BASEL: UN BALLO IN MASCHERA

odi tu gli accenti di morte? die wahrsagerin ulrica kniet in einem kreis aus kerzen und prophezeit gouverneur riccardo di warwick mit bebender stimme, dass seine liebe zur frau seines freundes und beraters renato mit seinem tod enden wird. hörst du die geräusche des todes? riccardo lacht nur über die angedrohte ermordung und die instrumente im orchestergraben lachen mit. doch geisterhaft tragen schwarze männer schwarze särge in die szene, immer mehr: das lachen kann den tod nicht fernhalten. mit geradezu psychoanalytischem zugriff illustriert die bulgarische regisseurin vera nemirova den „maskenball“ von giuseppe verdi am theater basel und schafft für die unausweichliche eskalation dieser dreiecksbeziehung bilder von höchster intensität. politische und private fassaden stürzen ein; die in der musik bereits angelegte fallhöhe von den anfänglichen opera-buffa-elementen zur schwärzesten tragödie wird dadurch atemberaubend. besser kann man das verdi-jahr nicht einläuten. wenn solistinnen und solisten (was für ein ensemble!) nicht nur ihre stimmen dramatisch aufzuladen vermögen, sondern spannung auch in jede einzelne personen-konstellation zu legen verstehen, dann wird oper zum thriller. als riccardo beim lyrischen zwischenspiel im 3.akt aus seiner bostoner stadtvilla auf die leere strasse stürzt, unterwegs zum maskenball, fällt sein blick plötzlich auf ein einsames kind, stumm wie ein engel, auch unterwegs zum maskenball. es ist als tod verkleidet. odi tu gli accenti di morte?

Montag, 10. Dezember 2012

ZÜRICH: HOMOKIS HOLLÄNDER-SPUK

was haben sich die zürcher gefürchtet vor ihrem neuen opernhaus-intendanten andreas homoki. irritation, provokation, agitation – auf alles haben sie sich eingestellt. und jetzt dies: bei seiner ersten eigenen première, „der fliegende holländer“ von richard wagner, bleibt homoki überraschend konventionell. das radikalste in seiner klugen inszenierung, die sich auf die inneren stürme konzentriert, ist der verzicht auf jegliche seefahrer-romantik. hier spielt die handlung in einem handelskontor zur kolonialzeit, viel schweres holz, ledersessel, bürolisten-inventar und über allem eine riesige afrika-karte. senta (anja kampe) verzweifelt an diesem spiessigen reeder-mief und sehnt sich nach erlösung durch den durch sagenwelt und weltmeere irrenden holländer. bryn terfel (zürcher debut!) ist das ereignis des abends. als wäre johnny depps captain sparrow in die jahre und in die pfunde gekommen, geistert dieser holländer durch sentas träume, taucht plötzlich auf, ist plötzlich weg, auch er ein auf erlösung hoffender, das phantom dieser oper. bryn terfel gestaltet mit seinem wuchtigen bassbariton jede silbe einzeln, eine stimme mit tausend farbnuancen. weltklasse. sehr differenziert geht auch der junge pariser dirigent alain altinoglu ans werk; die kammermusikalische transparenz interessiert ihn genauso wie der üppige orchesterklang. weil homoki zwischendurch auf gag-niveau fällt (uiuiui, ein negerhäuptling…), entwickelt dieser spuk trotzdem nicht den ultimativen sog, sondern bleibt ein weihnachts(grusel)märchen für erwachsene.