Donnerstag, 7. Juni 2012

MÜNCHEN: WIE MAN AUS TSCHECHOW KLEINHOLZ MACHT

zwölf sehr gute schauspielerinnen und schauspieler – brüllen herum, schmieren sich schwarze farbe ins gesicht, brüllen wieder herum, gackern wie hühner, bellen wie hunde, werfen mit doofen stofftieren um sich, machen wasserschlachten, brüllen herum. der katalane calixto bieito (von dem ich in basel schon einen radikalen, klugen „don carlos“ gesehen habe) inszeniert am residenztheater in münchen den „kirschgarten“ von anton tschechow und verdammt zwölf sehr gute schauspielerinnen und schauspieler dazu, permanent auf kindergeburtstag zu machen. ok, herr bieito, wir haben verstanden: tanz auf dem vulkan. die zeiten ändern sich und mit ihnen die finanziellen verhältnisse, der kirschgarten wird versteigert und abgeholzt. bieito macht nicht nur den kirschgarten zu kleinholz, sondern auch das landhaus der ranjewskaja, das schon zu beginn ausschaut wie ein ausgebombter rohbau, und – schlimmer noch – den gesamten stücktext. tschechow charakterisiert zwölf menschen nach ihrer ganz und gar unterschiedlichen einstellung zum wechsel der zeiten. hier wird niemand charakterisiert, hier fällt jeder charakter dem oberflächlichen lärm und der oberflächlichen hektik zum opfer. dass am ende der uralte diener firs in diesem eindrücklichen sperrholz-desaster, das von der bühne übrigbleibt, einen neuen kirschbaum pflanzen darf, ist nach diesen zwei stunden unerträglicher edelkitsch.

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