Sonntag, 15. April 2012

MÜNCHEN: RICHTIG SCHWANGER

kurz vor beginn der vorstellung betritt eine sprecherin des münchner volkstheaters die bühne und weist darauf hin, dass die schauspielerin barbara romaner „richtig schwanger“ sei und man sich dadurch „bitte nicht irritieren“ lassen solle. mal was neues, auch für den geübten theatergänger. und tatsächlich: elfter monat, mindestens. der hinweis drängt sich auf, denn frau romaner spielt die „anna karenina“, die zu beginn von leo tolstois roman in einer zutiefst erkalteten ehe alles andere als hochschwanger ist und sich dann in den feschen rittmeister wronski verliebt, von dem sie schwanger wird, deutlich später allerdings. die inszenierung von frank abt lebt von zwei zentralen einfällen. wichtige sätze lässt er wiederholen, noch und noch, zum teil von mehreren schauspielern; diese permanenten bedeutungsschwangeren text-loops nerven zunehmend. dafür wirkt die zweite konzeptidee umso bestechender: weil bei ehebruch und scheidung die abwesenden dritten (ehemann, schwester, früherer liebhaber, kinder) bewusst oder unbewusst immer präsent sind, werden sie hier direkt ins spiel einbezogen, stehen dazwischen, sitzen daneben, wechseln blicke, verstricken sich, sprechen gar sätze von handelnden mit – das netz des unglücks in seiner vollen ausdehnung. den bogen vom 19. ins 21.jahrhundert schliesslich schafft diese inszenierung unaufdringlich elegant, indem sie die sehr heutigen, jugendlichen schauspieler auf einer sehr heutigen, quasi leeren bühne, aber in den üppigen kostümen der damaligen zeit agieren lässt. ein abend voller leben und leicht bis mittelschwer überladen. tolstoi also richtig schwanger.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen